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Seminar Allgemeine Psychologie I WS 04/05
Kernkonzepte des Denkens und ihre Entwicklung
Dozent Sieghard Beller
Albert-Ludwig-Universität Freiburg
Warum die ,,arabische" Zahlrepräsentation so geschickt ist
Referat von Sascha Frank und Miriam Seel
Zählen, aber warum?
Warum zählt der Mensch? Ein Grund ist, er will wissen, was er besitzt, sein Problem dabei ist, er kann ohne zählen nur den Bereich 0 bis 4 sicher beherrschen.
Basis eines Zahlensystemes
Die Basis eines Zahlensytemes entspricht der Anzahl an Grundziffern, die dieses System hat. Bei den arabischen Ziffern ist zehn die Basis des Systems. Die Wahl der Basis eines Zahlensystems ist durch die Probleme bestimmt, die mit Hilfe des Systems erfaßt, gelöst und dargestellt werden sollen. Für unterschiedliche Probleme gibt es daher auch verschiedene Basen. Die Anzahl an Stellen die man für die Darstellung einer Zahl n braucht entspricht ⌈ logBasis n ⌉ >. Will man etwa alle Zahlen mit einem Wert zwischen 0 und 999 im 10er System darstellen braucht drei Stellen um alle hier möglichen Zahlen darzustellen da ⌈log10 999 ⌉ = 3 ist. Die für uns vertraute Basis zehn ist keine besondere Basis, sondern nur eine Basis, die aus unserer Sicht intuitiv ist, da wir zehn Finger besitzen. Aus Sicht der Mathematik und des Rechnens im Alltag ist die 10 keine besonders geeignete Basis für ein Zahlensystem, da sie zum einen keine Primzahl ist und zum anderen nur die 2 und die 5 als Teiler besitzt. Bei der Zeitmessung benutzen wir ein 7er, 12er und sogar ein 60er System, ohne daß wir uns dieser Tatsache wirklich bewußt sind. Eine Woche hat 7 Tage, der Tag hat 2 mal 12 Stunden, jede Stunde hat 60 Minuten und jede Minute hat 60 Sekunden. Wenn das 10er System so gut ist wie wir annehmen, dann wäre es am sinnvollsten, auch die Zeitmessung zu "dezimalisieren". 100 Sekunden wären dann eine Minute, 100 Minuten wären eine Stunde und 10 Stunden wären ein Tag. Zudem könnte man die zehn Tage Woche einführen, dann hätte man auch noch das 7er System entfernt. Dieser Versuch wurde während der französischen Revolution auch unternommen, der sogenannte Revolutionskalender galt von 1793 bis 1805 mit genau diesen Eigenschaften. Unterschiedliche Systeme haben unterschiedliche Dimensionen. So gibt es das eindimensionale System, z.B. Zählen mit Steinen. Ein Stein repräsentiert also ein Schaf. Für jedes Schaf mehr wird auch ein Stein mehr genommen, d.h. die Mengen wachsen im gleichen Umfang.
Vorteil: Man braucht keine arithmetischen Kenntnisse, um Rechnungen durchzuführen: um etwas zu addieren, legt man Steine dazu; um etwas abzuziehen, Steine weg. Allerdings liegt der Nachteil auf der Hand: je größer die gezählte Menge wird, desto mehr Steine braucht man, so daß man sehr schnell sehr viele Steine braucht bzw. die Anzahl der Steine leicht unübersichtlich wird.
Dafür bietet sich dann ein zweidimensionales System ein. Es besteht aus einer Basis-Dimension und einer Potenz-Dimension. Zahlen lassen sich polynomial darstellen und haben als physische Eigenschaften meistens Form, Menge oder Position. Unser arabisches System etwa besteht aus Form (die ,,4" stellt die Menge vier dar) und aus Position: je nachdem, an welcher Stelle sie steht, bedeutet sie 4, 40, 400 usw. (4 ·100, 4 ·101, 4 ·102  usw.) Das ägyptische System wird dargestellt durch Menge und Form. Damit lassen sich auch größere Zahlen relativ ,,überschaubar" darstellen. Natürlich gibt es noch weitere mehrdimensionale Systeme, allerdings werden wir auf diese nicht weiter eingehen. Nur als Beispiel: Das babylonische System war ein System mit mehr als zwei Dimensionen.
Je nach Unterschiedlichkeit der Dimensionen sind die Anforderungen an die kognitiven Prozesse anders: ein lineares System ist zwar einfach, aber kann große Zahlen nicht gut darstellen; eine große Basis benötigt viele Symbole etc.
Additionssysteme
Die frühen Formen von Zahlensystemen sind bzw. waren Additionssysteme. In einem Additionssystem wird eine Zahl als Summe der Werte ihrer Ziffern dargestellt. Da es mit den frühen Zahlensystemen auch mit einer Basis immer noch aufwendig war, große Zahlen darzustellen, auch war das allgemeine Rechnen damit recht umständlich, ging man dazu über, besonderen Zahlen wie der 1,2,3,...,10,20,...100,200,..,1000,2000,...,9000 eigene Zahlsymbole zuzuordnen. Dies gab es im ägyptischen Zahlensystem in der Form der hieratischen Zahlensymbole und in der griechischen Zahlendarstellung. Der Hauptunterschied zu unserem System ist, daß der Wert einer Zahl immer noch durch die Summe der einzelnen Symbole bestimmt wird. Die Anordnung der Symbole hat keinen Einfluß auf den Wert der Zahl. Was dazu führt, daß wenn man den Bereich 1 bis 9999 abdecken will, man 36 unterschiedliche Symbole kennen muß in der ägyptisch hieratischen bzw. griechischen Darstellung, hingegen in der arabischen Darstellung nur 9 Symbole.
Ägyptisch versus Arabisch: Ein Anwendungsbeispiel
Die Multiplikation
Wie gut ein Zahlensystem wirklich ist, zeigt sich erst, wenn man verschiedene ,,Operationen" (Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren) darauf angewandt hat. Anhand der Multiplikation als Beispiel soll nun das ägyptische mit dem arabischen Zahlensystem verglichen werden. Um sich selber ein Bild davon zu machen, kann man es ja selbst ausprobieren. Die Multiplikation erfolgt in sechs Schritten. Diese können in unterschiedlicher Reihenfolge durchgeführt werden, wobei allerdings manche Schritte zuerst kommen müssen. Bei der Multiplikation spielt dabei eine wichtige Rolle, ob eine Information, die benötigt wird, external oder internal zur Verfügung steht. External bedeutet hierbei, daß das Wissen aus der Umgebung bzw. allein durch Wahrnehmung erworben wird. Internal meint jedoch, daß das Wissen aus dem Gedächtnis abgerufen wird, bzw. daß die Prozesse erinnert werden müssen. Wie man sich jetzt sicherlich vorstellen kann, ist es für uns Menschen einfacher, eine Multiplikation durchzuführen, je mehr Informationen wir external bekommen. Internale Prozesse benötigen immer kognitive Ressourcen, und da wir in unserer Kapazität beschränkt sind, kann dies schnell zu Schwierigkeiten führen.
Hier ein Vergleich des ägyptischen mit dem arabischen System anhand einer einfachen Rechnung, nämlich 20*7. Was auf den ersten Blick für die meisten von uns wahrscheinlich keine große Herausforderung darstellt, ist eigentlich gar nicht so einfach. In der folgenden Tabelle werden die einzelnen Schritte der Multiplikation erläutert.
Ägyptisch: ∩ ∩ *IIIIIII Arabisch: 20*7
1.Schritt:
Trennen von Potenz- & Basis- Dimension External trennbar External trennbar
2a. Schritt:
Finden des Basis-Wertes External: Mengen Internal: Formen
B(∩ ∩) = II B(20) = 2
B(IIIIIII) = IIIIIII B(7) = 7
2b. Schritt:
Multiplizieren der Basis-Werte Internal: Multiplikationstafel Internal: Multiplikationstafel
II * IIIIIII = ∩ IIII 2 * 7 = 14
3a. Schritt:
Finder der Potenz-Werte Internal: Formen External: Positionen
P(∩ ∩) = 1 P(20) = 1
P(IIIIIII) = 0 P(7) = 0
3b. Schritt:
Addieren der Potenz-Werte Internal: Additionstafel External: Positionen
P(∩ ∩ * IIIIIII) = P(20 *7) =
P(∩ ∩) + P(IIIIIII) P(20) + P(7)
= 1 + 0 = 1 = 1 + 0 = 1
4. Schritt:
Zusammenfügen der Potenz-Werte Internal: Formen External: Positionen
∩ ∩* IIIIIII = (∩ IIII)*101 20 *7 = 14 * 101 = 140
Die Abbildung zeigt das ägyptische Zeichen für einhundert ∩ ∩ ∩ ∩
Im ägyptischen System muß man viermal auf internales Wissen zurückgreifen, während man beim arabischen nur zweimal internale Informationen benötigt. Daraus läßt sich schließen, daß die Multiplikation heutzutage einfacher ist als jetzt damals in Ägypten.
Abschluß und Zusammenfassung:
   
Warum die ,,arabische" Zahlrepräsentation so geschickt ist
Wie bereits gesehen, gibt es viele Vorteile, die für das arabische Zahlensystem sprechen und es deshalb kein Wunder ist, daß wir heute so zählen, wie wir zählen. An dieser Stelle wollen wir noch einmal kurz die Vorteile zusammenfassen, aber auch ,,Kritik" anbringen. Unser heutiges Zahlensystem entwickelte sich über Jahrtausende; selbst heute noch lernen Kinder Zählen mit Hilfe ihrer Finger, was sich wohl durchgesetzt hat und beispielsweise unsere Basis 10 erklärt. Desweiteren braucht man für eine solche Basis nur 10 Symbole, die man sich leicht merken kann (im Vergleich zu den vielen Symbolen, die andere Systeme hatten). Das Positionsprinzip ist eindeutig; eine mehrdeutige Interpretation und somit eventuelle Mißverständnisse sind dadurch ausgeschlossen. Außerdem ist es ein ziemlich kompaktes System: man braucht ­im Vergleich- nur wenig Symbole, um selbst große Mengen darzustellen, was natürlich das Arbeiten mit Zahlen ungemein erleichtert und auch ,,beschleunigt". Auch in der Anwendung (d.h. im Rechnen) ist unser System im Gegensatz zu manch anderem klar im Vorteil: Rechenregeln können leicht erlernt werden, und vor allem der Zugriff auf internes Wissen ist nicht so groß wie bei anderen Systemen. Das bedeutet, daß die Kapazität unseres Gehirnes nicht total beansprucht wird- so können selbst schwierige Rechnungen mit großen Zahlen relativ schnell und einfach durchgeführt werden. Natürlich hätten andere Zahlensysteme auch Vorteile, trotzdem muß man abwägen. In unseren alltäglichen Leben hat sich das Arabische System durchgesetzt, und das nicht grundlos.
Literaturangaben



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On 4 Oct 2005, 15:25.